Wie dein Interview perfekt gelingt!

Dieses Mal gibt es hier auf meinem Blog eine Neuerung! Ich hatte die Tage auf Instagram kurze Bits & Pieces zum Thema Interviewschreiben veröffentlicht und in meiner facebook-Gruppe für freie Texter und Redakteure geteilt. Es gab jede Menge Resonanz darauf und Birgit meinte, sie würde unheimlich gerne dazu einen längeren Artikel schreiben. Schwupps, schon war die Idee eines Gast-Beitrags geboren.

Und nun will ich nicht länger quatschen … Vorhang auf für Birgit Susemihl und ihren Artikel zum Thema INTERVIEW!

Wie dein Interview perfekt gelingt

23 praktische Tipps von der Vorbereitung bis zum Schreiben – mit Bonus für Pressesprecher:innen!

Hast du schon einmal ein Interview geführt? Wenn du als Journalist:in arbeitest, gehört das zu deinem Berufsalltag. Aber auch in der Pressearbeit für ein Unternehmen ist das Interview ideal, um die Leser mit hinter die Kulissen zu nehmen und Vertrauen zu erzeugen. Du kannst Mitarbeiter zu Wort kommen lassen, die sonst im Hintergrund arbeiten. Du kannst in die Firmengeschichte zurückblicken oder ein Projekt aus der Sicht eines damit beschäftigten Mitarbeiters präsentieren. Du kannst neue Kolleg:innen vorstellen und vieles mehr.

Auch als freiberufliche:r Texter:in kann dir das Interview begegnen. Einer meiner größten Aufträge in den ersten Monaten meiner Selbstständigkeit war eine Interviewreihe mit den Sängern einer Konzertserie – beauftragt vom Veranstalter der Konzerte. 

Mit diesen Tipps schaffst du die besten Voraussetzungen dafür, dass das Interview gut gelingt und daraus ein interessanter Text wird – egal, ob du es als Wortlaut-Interview veröffentlichst oder einen Artikel daraus machst. 

Disclaimer: Ich beziehe mich auf Interviews, die in Textform veröffentlicht werden – nicht auf Radio, Podcast oder TV (obwohl einiges übertragbar ist)!

Wie bereitest du ein Interview optimal vor?

1. Thema, Anlass und Ziel

Als erstes solltest du dir Gedanken darüber machen, was das Thema des Interviews ist und was du damit erreichen möchtest. Gibt es einen Berichterstattungsanlass? Ist ein aktuelles Thema damit verknüpft – zum Beispiel die Corona-Krise? Sollen deine Leser mehr über ein bestimmtes Projekt oder Produkt erfahren oder einen neuen Mitarbeiter kennenlernen? Je klarer dir das Ziel ist, das du mit dem Interview erreichen möchtest, umso leichter wird es dir fallen, die Dramaturgie des Gesprächs zu entwickeln und relevante Fragen zu finden.

2. Wortlaut-Interview oder Porträt?

Ob du das Interview im Wortlaut veröffentlichst oder ein Porträt bzw. Artikel schreibst, ergibt sich oft aus Thema und Ziel. Wenn du Journalist:in oder Texter:in bist, ist die Form vielleicht vorgegeben. Ich habe mich in der Interviewserie dafür entschieden, zwei in der Region sehr bekannte Künstler im Wortlaut-Interview zu präsentieren. Denn mit ihnen konnte ich schneller zu aktuellen Themen vordringen. Zwei „Neue“ und den Moderator habe ich in einem Porträt vorgestellt. So konnte ich Informationen aus ihren Biographien einfließen lassen, ohne diese chronologisch abfragen zu müssen. Wenn du dich im Vorfeld nicht entscheiden kannst, ist das nicht schlimm. Du wirst während des Gesprächs oder spätestens beim Schreiben merken, welche Form sich anbietet!

3. Informier dich vorab!

Das ist vielleicht eine Binsenweisheit, aber du solltest etwas über deinen Interviewpartner wissen. Wenn du ihn nicht persönlich kennst, google ihn, lies seine Website, falls vorhanden, oder finde heraus, was genau seine Rolle im Unternehmen oder im Kontext deines Themas ist. Das macht es dir leichter, relevante Fragen zu stellen.

4. Bereite genug Fragen vor!

Je nach Thema und Ziel des Interviews überleg dir genau, was du wissen möchtest und wie du danach fragst. Mach dir eine Liste der Fragen, die du stellen willst. Notiere dir lieber zu viele Fragen als zu wenige! Wichtig: Hangle dich nicht einfach an der Biographie des Interviewpartners entlang. Das reine Abfragen von Karrierestationen kann leicht langweilig werden. Geh auf ein paar interessante Stationen der Biographie ein oder finde eine ganz andere Art der Dramaturgie, die zu deinem Gesprächsziel passt. Finde Fragen, die die Persönlichkeit des Interviewten erlebbar machen!

5. Ort, Zeit und Logistik

Vereinbare einen geeigneten Termin und leg fest, ob es ein Telefoninterview, ein persönliches Treffen oder ein Online-Meeting wird. Das wird vermutlich durch die äußeren Umstände bestimmt und das ist auch völlig in Ordnung – alle Wege funktionieren. Plane auf jeden Fall genug Zeit ein und sag deinem Interviewpartner, wie lange es etwa dauern wird. Wähle einen Ort, an dem ihr ungestört seid bzw. an dem du ungestört telefonieren kannst. Nur so könnt ihr euch voll auf das Gespräch konzentrieren. 

6. Check deine Technik!

Je nachdem, was dir leichter fällt, kannst du mitschreiben (wenn du schnell bist) oder das Interview (mit dem Einverständnis des Interviewpartners) aufzeichnen. Ich empfehle sicherheitshalber beides parallel! Auf jeden Fall solltest du deine Ausrüstung rechtzeitig prüfen – egal ob du die Diktierfunktion deines Handys nutzt, ein anderes Aufnahmegerät oder Block und Kugelschreiber (den kann man vergessen, oh ja!). Und im Fall eines Telefoninterviews: Ist die Telefonleitung stabil? Nicht umsonst bitten Radiojournalisten für Telefoninterviews meist um eine Festnetznummer!

7. Lampenfieber gehört dazu.

Es ist ganz normal, dass du ein wenig Lampenfieber hast. Das haben Schauspieler auch nach Jahrzehnten der Bühnenerfahrung noch. Falls es dich tröstet: die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass dein Gegenüber auch etwas Lampenfieber hat. Denn er ist es, der „ausgefragt“ werden soll. Zu einem Interview gehören zwei – du bist nicht alleine in der Situation.

Während des Gesprächs – Der kleine Interview-Knigge

8. Wer bist du eigentlich?

Vergiss nicht, dich kurz vorzustellen, falls dein Interviewpartner dich nicht schon kennt. Wer bist du, was machst du, warum soll es das Interview geben? Wenn du den Termin direkt vereinbart hast, hast du diesen Punkt natürlich bei der Gelegenheit schon abgehakt. Also weiter!

9. Worum wird es gehen?

Dein Gegenüber wird wissen wollen, was das Thema des Interviews ist, falls ihr das nicht schon bei der Terminabsprache geklärt habt. Das ist ganz praktisch zum Einstieg – wenn du kurz zusammenfasst, um was es dir geht, was für ein Text für welches Medium daraus werden soll und wonach du in etwa fragen wirst, habt ihr beide etwas Zeit, in der Situation anzukommen. Das ist besonders wichtig, wenn a) du Interview-Newbie bist oder b) dein Gesprächspartner sonst nicht in der Öffentlichkeit steht.

10. Sei konzentriert und hör gut zu.

Das sollte schon aus Höflichkeit selbstverständlich sein. Aufmerksames Zuhören hilft aber auch bei der späteren Ausarbeitung – auch wenn du das Gespräch zusätzlich aufzeichnest. Konzentrier dich auf deinen Gesprächspartner. Lass ihn ausreden, halte auch Pausen aus und denk mit – ein prima Stichwort ist hier das aktive Zuhören.

11. Bleib offen für die Wendungen des Gesprächs.

Nutze deine Fragenliste als Gerüst und Gedächtnisstütze, aber sei offen für die Entwicklung des Interviews. Es können sich interessante neue Aspekte ergeben. Die solltest du nicht ignorieren. Die ungeplanten Momente können im Interview die kostbarsten und ergiebigsten sein! Sei auch offen dafür, an interessanten Stellen nachzuhaken oder ein Thema zu vertiefen.

12. Behalte dein Ziel im Auge.

Bei aller Flexibilität solltest du natürlich trotzdem den roten Faden im Blick behalten. Ihr habt beide nicht unbegrenzt Zeit, und du kannst im endgültigen Text auch keine endlose Menge an Informationen verarbeiten. Deshalb solltest du auch ein Gespür dafür haben, wann das Interview in „belangloses Geplauder“ abgleitet, und euch höflich wieder in die Spur bringen. 

13. Frag nach, wenn nötig!

Trau dich nachzufragen, wenn du etwas nicht verstanden hast. Du kannst nicht für alles Expert:in sein – deshalb sprichst du ja mit deinem Interviewpartner. Geh nicht aus Angst, dich zu blamieren, oder aus Höflichkeit darüber hinweg, wenn dir etwas nicht klar ist. Du kannst nur gut über etwas schreiben, wenn du die Materie verstanden hast. Übrigens: manchmal merkt man erst beim Schreiben, dass eine Information fehlt – zögere nicht, dann nochmal Kontakt aufzunehmen!

14. Namen sind nicht Schall und Rauch …

Mir hilft es, Namen, unbekannte Orte und ähnliches buchstabieren oder aufschreiben zu lassen. Denn mit einer völlig verdrehten Nach-Gehör-Schreibweise ist auch Googeln schwierig. Oft ist es sinnvoll, z. B. Namen von Hochschulen oder Arbeitgebern nach dem Interview zu überprüfen, damit du sicher sein kannst, dass du den korrekten Namen verwendest. 

15. Nimm dich zurück!

Wenn die Atmosphäre angenehm ist, besteht die Gefahr, dass das Interview in ein „normales“ Gespräch abgleitet. Erliege nicht der Versuchung, in eine „gleichberechtigte“ Diskussion zu geraten! Wenn du von dir erzählst, kann das zwar unter Umständen das Eis brechen, es birgt aber immer das Risiko, dem Interview zu viel Raum zu nehmen. Es geht nicht um dich, sondern um den anderen! Du kannst das eine oder andere „Bröckchen hinwerfen“, aber nimm dich zurück und lass den Fokus auf deinem Gegenüber. Lass dich auch nicht auf eine inhaltliche Diskussion ein. Je nach Thema sind im Journalismus kritische Fragen wichtig, aber es sollte nicht auf einen Streit darüber, wer Recht hat, hinauslaufen.

16. Das Paradox des Interviews

Es klingt paradox, aber ein tolles Gespräch ist nicht gleich ein tolles Interview und garantiert keinen tollen Text! Das spannendste meiner fünf Interviews war mit einem Sänger, der auch komponierte und wahnsinnig interessant davon erzählte. Zu schreiben war gerade dieses Interview dann besonders schwierig – ich wollte den Aspekt nicht weglassen, weil er sehr eng mit der Persönlichkeit des Sängers verknüpft war, hatte aber nicht den Raum, um in die Tiefe zu gehen.

17. Bleib professionell!

Das klingt selbstverständlich, ist aber manchmal leichter gesagt als getan. Versuch, egal bei welchem Thema, die Distanz zu wahren. Sonst läufst du Gefahr, deine Objektivität zu verlieren. Zur Professionalität gehört auch: Du führst das Gespräch! Lass dir nicht das Heft aus der Hand nehmen. Aber bleib unbedingt höflich.

18. Persönlich ≠ privat 

Der vielleicht wichtigste Punkt: Wahre die Grenze zwischen Persönlichem und Privatem. Jeder – auch dein Interviewpartner – hat das Recht, zu entscheiden, wo diese Grenze für ihn liegt. Versuch, die Persönlichkeit deines Gegenübers herauszuarbeiten, aber lass Privates privat sein und respektiere seine Grenzen. 

Nach dem Interview: Die Arbeit geht jetzt erst richtig los

19. Du wirst kürzen!

Murphys Gesetz des Interviews besagt, dass du zu viel Material hast und selektieren musst. Mit etwas Erfahrung merkst du schon während des Gesprächs, welcher Aspekt weniger wichtig ist. Dann kannst du versuchen, das Thema zu wechseln. Andererseits kann es auch passieren, dass eine Stelle, die dir im Gespräch nebensächlich vorkam, beim Schreiben plötzlich bedeutsamer wird. 

20. Komplett transkribieren oder drauflosschreiben?

Das kommt drauf an. Das Transkribieren dauert auf jeden Fall deutlich länger als das Interview, dafür geht das Schreiben hinterher schneller. Geeignete Transkriptionssoftware kann dir viel Arbeit abnehmen. Ich neige trotzdem dazu, nicht das ganze Gespräch zu transkribieren, sondern die Aufnahme bzw. die gerade benötigte Passage anzuhören. Aber da sind die Arbeitsweisen verschieden.

21. Die Ausarbeitung braucht Zeit

Plane unbedingt genug Zeit zum Schreiben des Interviews oder Porträts ein. Denn das dauert länger als du möglicherweise denkst! Wie jeden Text musst du auch das Interview Korrektur lesen. Und je nach deiner Arbeitsweise vielleicht eine Nacht drüber schlafen!

22. Freigeben lassen oder nicht?

Soll der Interviewte den fertigen Text gegenlesen? Das war kürzlich ein leidenschaftlich diskutiertes Thema in einer Facebook-Gruppe. Ich habe nie Journalismus studiert und sage dir einfach, wie ich verfahre: Wortlaut-Interviews sollten meiner Meinung nach definitiv freigegeben werden. Als fest angestellte Pressereferentin habe ich meist Porträts geschrieben und sie nur vorgelegt, wenn der Porträtierte darum bat – ich war aber in den Themen sattelfest. Als Freiberuflerin lasse ich auch Porträts bzw. Artikel vom Interviewpartner freigeben. Jeder kann etwas missverstehen, schon meine Auswahl aus dem Material ist ja eine Interpretation. Ich kalkuliere den Aufwand in den Projektpreis ein, und meine Auftraggeber wissen, dass ich diesen Punkt erledige. Bisher habe ich damit nur gute Erfahrungen gemacht – von „meinen“ fünf Künstlern kamen nur minimale Korrekturen. Dafür aber umso mehr Lob!

23. Wird das auch veröffentlicht?

Viele Zeitungen haben gerade Wortlaut-Interviews verständlicherweise lieber exklusiv. Wenn ein bestimmtes Medium für dein Thema besonders wichtig ist – die Lokalzeitung oder ein bestimmtes Fachmagazin – kannst du es dort natürlich exklusiv hingeben, statt es wie eine Pressemitteilung an deinen Presseverteiler zu versenden. Dann steigen die Chancen der Veröffentlichung deutlich. Idealerweise hast du für andere interessierte Medien dann bei anderer Gelegenheit ein exklusives Thema. Generell ist es sinnvoll, wichtige Pressetexte im Vorfeld bei besonders wichtigen Redaktionen anzukündigen bzw. abzusprechen.

Der Bonus-Tipp:

Und jetzt noch ein Bonustipp für dich, wenn du die Pressearbeit für eine Institution oder ein Unternehmen machst: Du kannst natürlich einem bestimmten Medium auch ein Interview anbieten, das einer ihrer Journalisten selbst führt! Das erspart dir Arbeit und ist praktisch eine Garantie für die Veröffentlichung. In diesem Fall rate ich dir aber unbedingt: Sei dabei! Du wirst besser als die beiden Beteiligten spüren, wenn sie aneinander vorbei reden. Du weißt besser als der interviewte Insider, was ein Fachfremder nicht kennt/versteht, und kannst eingreifen und erklären.

Hast du schon Erfahrungen mit Interviews gesammelt? Fallen dir noch weitere Tipps ein? Dann schreib sie gerne in die Kommentare!

Willst du mehr über Birgit erfahren? Dann schau gerne mal bei ihr vorbei!

www.susemihl-texte.de

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