Wortpreise: Gerechter Lohn oder Genickschuss für Textarbeiter?

Bild: Michael A. Schmidt

+++ GASTBEITRAG von meinem geschätzten Kollegen Michael A. Schmidt

Kein Zweifel, Wortpreise haben Vorteile für Auftraggeber wie Auftragnehmer: So argumentiert eine Kollegin: „Rechne ich auf Stundenbasis ab, wissen Sie nie, wie lange ich tatsächlich gearbeitet habe. Über den Wortpreis sprechen wir vorher und so wissen Sie als Kunde, wie viel Sie später bezahlen müssen und ich weiß, mit welcher Vergütung ich rechnen kann. Aus meiner Sicht ist dies mehr als fair.“ [Quelle/Link >]

> > http://www.gekonnt-gesagt.de/tagessatz-stundensatz-wortpreise-warum-es-eigentlich-vollig-egal-ist/

Ähnlich äußern sich viele Texter, die mit ihren Kunden Wortpreise vereinbaren – nicht ohne darauf zu verweisen, dass sie dennoch leistungsgemäße Preise kalkulieren.

Billigpreise allein sind kein Gegenargument

Bereits bei den reinen Zahlen zeigen sich jedoch die ersten Diskrepanzen. Während manche Texter von 12 bis 18 Cent pro Wort berichten, die sie für ihre Arbeit verlangten, gelten bei Texterpools und Contentanbietern 1 bis 4 Cent bereits als gute Bezahlung. Doch zu niedrige Preise allein wären kein Grund, die Bezahlung pro Wort in Frage zu stellen. Auch bei Stunden- oder Pauschalabrechnung gibt es Kunden, die Preise drücken, und Texter, die das akzeptieren.

Die echten Argumente gegen Wortpreise sehen anders aus. Tatsächlich sind es die beiden stärksten Pluspunkte, die sich bei genauer Betrachtung gegen den Wortpreis wenden: Aus Gerechtigkeit und Transparenz wird in der Praxis das Gegenteil.

Texterleistung liegt nicht in der Zahl der Worte

Texten ist vor allem mehr als das lineare Niederschreiben einer Reihe von Worten. Daher spiegelt der Lohn nach Menge auch nicht die eigentliche Leistung wider. So ist ein kurzer Text oft weit schwerer zu erstellen als ein längerer. Vernünftige Quellen oder Inputs vorausgesetzt, schreibe ich zu einem Thema leicht zwei oder Seiten, um alle relevanten Punkte abzudecken. Viele Medien und Formate fordern jedoch deutlich kürzere Texte, und gerade das Kürzen und Verdichten macht die meiste Mühe. Ein Wortpreis würde dem nur dann gerecht, wenn er z.B. in einer Staffel anstiege, sobald kürzere Texte gefordert sind.

Auch wird ein kreativer Schreiber zu Beginn der Textarbeit zunächst in Alternativen denken. Für einen Text, den ich aufschreibe, habe ich ein dutzend angedacht, durchgespielt, manchmal sogar teilweise vorformuliert. Oft finde ich interessante Alternativen, die ich dem Kunden auch gerne vorstellen möchte. Ein Wortpreis erstickt solche Überlegungen schon im Ansatz. Wer für Wortpreise schreibt, weiß, dass am Ende nur ein fertiger Text bezahlt wird. Er wird jede Motivation verlieren, sich mehr ins Zeug zu legen. Vor allem verzichten Kunden, die Aufträge per Wortpreis vergeben, von sich aus bereits auf den bestmöglichen Text zugunsten des einen, den sie bekommen.

Die Preisfrage wird zur Anfangshürde

Die unerfreulichste Auswirkung der Wortpreise liegt jedoch nicht in der Frage, ob die tatsächliche Leistung gerecht entlohnt wird. Vielmehr gewöhnen sich immer mehr potenzielle Kunden an, den Preis vor allem anderen abzufragen: „Wieviel nehmen Sie denn so pro Wort?“ höre ich immer öfter gleich zu Anfang des Kontakts. Nach Stunden- oder Pauschalsätzen wird selten im Vorfeld schon gefragt. Nenne ich dann keine feste Zahl oder eine zu hohe, höre ich von dem Kunden nie wieder etwas. Ist sie zu niedrig, bin ich auf alle Ewigkeit darauf festgelegt.

So verkehrt sich der Effekt von Gerechtigkeit und Transparenz, den Befürworter als wichtigstes Argument anführen, in sein Gegenteil. Maßstab ist nicht mehr Leistung oder Ergebnis, sondern nur noch ein Zahlenwert von zweifelhafter Aussagekraft. Gleichzeitig werden die Entgelte in den Keller gedrückt, oft unter das Niveau des gesetzlichen Mindestlohns – mit allen negativen Folgen für Qualität, Motivation und auch die Berufsentscheidungen des Nachwuchses.

Unstrittig hat auch die Entlohnung nach Zeitaufwand ihre Schwächen. Vermutlich aus diesem Grund empfiehlt der Texterverband neben Stundensätzen feste Stückkosten, z. B. 320,00 € pro Seite für einen Text wie diesen. Das wären übrigens rund 70 Cent pro Wort …

Michael A. Schmidt

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