Von Schusterjunge und Hurenkind

Bild: Canva

Ich hab in der Mottenkiste gekramt und ich musste nicht so wahnsinnig weit in meiner Vergangenheit graben (oder doch?!), um dir von Begriffen zu berichten, die dir vielleicht in Redaktionen oder in Artikeln begegnen, die du entweder noch erinnerst oder eben nichts mehr mit anzufangen weißt. Ich schreibe von Stehsatz, (Klebe-)Umbruch, Satzspiegeln, Metteuren, Setzern, Hurenkindern, Witwen, Waisen und Schusterjungen … komm mit mir auf Zeitreise!

Wie man vor nicht allzu langer Zeit in Redaktionen gearbeitet hat …

Im Zeitalter der Digitalisierung ist der Begriff Stehsatz leider irgendwie abhanden bekommen. Dabei nutze ich ihn noch heute sehr gerne. Stehsatz wurde früher (OMG – zu meiner Volontärszeit anno 1994-1996!!) bei den Setzern im Kabuff gelagert. Text wurde auf einem Manuskript – meist Vordrucke – mit der (manuellen!) Schreibmaschine erstellt und dann in den Satz gegeben. Der Satz war eine eigene Abteilung im Verlag und lief unter der Leitung der Herstellung. Dort gab es Setzer, die dann das Manuskript in den Computer eingetippt, also erfasst haben. Jeden Tag um 15 Uhr wurden die Texte, die haargenau auf die Spaltenbreite der jeweiligen Zeitschrift optimiert waren, auf einer Art Fotopapier ausgedruckt. Die Fachleute wissen sicher, was ich meine. Schwarze Schrift auf weißem Grund. Der Redakteur oder Volo bekam diese Streifen (die mitunter zwei Meter lang waren – je nach Artikellänge) zurück und schnitten sie am Rand entlang ab. Wollte man Zwischenheads einbauen, musste man das vorher für die Setzer kennzeichnen – es gab bestimmte Begriffe ähnlich wie heute die kurzen html-Codes. Stand „Umbruch“ im Kalender, wusste man „heute kleb ich den ganzen Tag.“ Satzspiegel, die ebenfalls auf einem weißen Papier vorgaben, wo man seinen Artikel „reinkleben“ durfte, hatte man immer im Schrank vorrätig. Bilder wurden kopiert und ausgeschnitten – und dann hatte man Umbruch. Witzig, eigentlich machte man ihn. Aber bei uns hieß es „haben“. Seite für Seite gestaltete der Redakteur/Volontär dann die Seiten – hier ein Bild, dort einen Einspalter … ging es nicht auf, hatte man besagten Stehsatz in einer Kiste und suchte sich zeitlose Meldungen aus, die schon gesetzt und in Streifen geschnitten dort lagen und auf ihren Einsatz warteten. Kaum war diese Arbeit erledigt, ging sie auch schon wieder von vorne los – ich war damals bei der Konditorei & Café einem Fachmagazin für Konditoren, die wöchentlich erschien. Nach meinem Volontariat (ich war zudem bei der Allgemeinen Hotel- und Gaststättenzeitung – die übrigens noch mit Chefredakteur und Metteur produziert wurde), hab ich die KoCa, wie wir sie nannten selbst verantwortet. Im Grunde produziere ich Magazine schon seit 1996 alleine wenn ich mich so erinnere.

Und was ist nun ein Hurenkind?

Aber genug der Träumerei! Weiter geht es mit dem Begriff Hurenkind oder auch Witwe genannt. Das ist die letzte Zeile eines Absatzes, wenn diese gleichzeitig die erste Zeile auf einer neuen Seite beziehungsweise in einer neuen Spalte ist. Das stört den Lesefluss ungemein, da der Satz ohne sinnvollen Kontext auf der neuen Seite fortgesetzt wird. Der Leser muss also unter Umständen noch einmal zurückblättern, um den ganzen Satz lesen zu können. Außerdem sieht die Seite optisch nicht sehr ansprechend aus, wenn sie mit einem halben Satz startet. Die Zeile wird Hurenkind genannt, weil sie genau wie dieses ihre Herkunft verloren hat. Das ist meist das Erste, was eine Schlussredaktion oder das Lektorat tilgt …

Als Schusterjunge oder auch Waise wird die erste Zeile eines Absatzes bezeichnet, die alleine am Seiten- oder Spaltenende steht und erst auf der nächsten Seite fortgesetzt wird. Er fällt meistens nicht unbedingt auf, aber stört vor allem dann, wenn man eine bestimmte Seite aufschlägt und dort anfangen möchte zu lesen. Weil sich die Zeile so frech wie ein Schusterjunge (woher das nur kommt? Anderes Thema!) auf die vorherige Seite wagt, hat sie sich diesen Namen verdient …

Sooo, jetzt denkst du sicher, ich komm aus dem letzten Jahrhundert!? Tja, da liegst du leider richtig. Trotzdem fühlt es sich an, als sei es gestern gewesen!!

Welche Begriffe kennst du, die oft große Fragezeichen fabrizieren? Ob topaktuelle Wordings oder alte Schätzchen – schreib sie mir gerne in die Kommentare!

P.S.: Die Türen für den Workshop „Pitch- und Exposéschreiben“ sind geöffnet. Mein ganzes Know how zu diesen Themen – geballter bekommst du es nirgendwo!

2 Antworten

  1. Aus Redaktionen kenne ich diese Begriffe nicht mehr, aber aus der Online-Druckerei, bei der ich im Marketing gearbeitet habe. Der ein oder andere Ausdruck, den du da genannt hast, fiel dort noch ab und zu.

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